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Neuner-Regel nach Wallace

Hautschichten und Dekubitalulzera

Schweregrade von Verbrennungen.Verbrennung:Schweregrade
Grad I | Funktionelle Schädigung der oberen Epidermisschicht (Stratum corneum), Resultat ist ein Erythem. | Rötung, keine Blasen; Schmerz |
Grad II a | Die Epidermis wird bis zur Basalschicht zerstört, es kommt zur Blasenbildung. | Rötung wegdrückbar, Blasenbildung, Schwellung, Wundgrund feucht, schmerzhafte Wundflächen |
Grad II b | Die Zerstörung reicht schon teilweise in die Dermis, Narbenbildung nach Abheilung. | Rötung z. T. nicht wegdrückbar, eröffnete, rupturierte Blasen, Schmerzempfinden vermindert |
Grad III | Zerstörung der Epidermis und Dermis in das subkutane Gewebe ggf. bis auf die Faszien reichend mit trockenen Hautfetzen und grau-schwarzen Nekrosen, Narbenbildung nach Abheilung | trocken, weißlich-grau oder beginnende Verkohlung, fehlende Schmerzwahrnehmung |
Grad IV | Verbrennung, bei offener Flamme auch Verkohlungen tiefer Strukturen wie Muskeln, Sehnen und Knochen („full thickness burn“), Narbenbildung nach Abheilung | verkohlt |
Klinik und Therapie der Anaphylaxie (analog AWMF-Leitlinie)Koma:allergischesKoma:allergischesAnaphylaxieAnaphylaxie
Klinik | Therapie |
Stadium 0: Lokalreaktion | |
auf den Kontaktort begrenzte (z.B. kutane) Reaktion |
|
Stadium I: leichte Allgemeinreaktion | |
|
|
Stadium II: ausgeprägte Allgemeinreaktion | |
|
|
Stadium III: bedrohliche Allgemeinreaktion | |
|
|
Stadium IV: vitales Organversagen | |
Atem- und Kreislaufstillstand | Reanimationsmaßnahmen mit Intubation bzw. Koniotomie und fortgesetzter Adrenalingabe |
Verbrennungen, Verletzungen, chronische Wunden
-
24.1
Verbrennungen660
-
24.2
Insektenstiche663
-
24.3
Muskel- und Sehnenverletzungen666
-
24.4
Kontusionen, Distorsionen667
-
24.5
Wunden und Wundarten668
-
24.6
Hämatome674
-
24.7
Frakturen675
-
24.8
Proktologische Erkrankungen677
24.1
Verbrennungen
•
Verhindern von Flüssigkeitsverlust
•
Schutz vor dem Eindringen von Mikroorganismen
•
Abwehr von Stoß, Druck und Schlag Abwehr von UV-Licht und Chemikalien
•
Wärmeregulation
•
Spüren von Druck, Berührung, Vibration, Temperatur und Schmerz
•
Regeneration und Reparation
-
1.
Haut:AufbauEpidermis: Basalzellschicht (Stratum basale) und Hornhautschicht (Stratum corneum)
-
2.
Dermis: Haarwurzelapparat, zelluläre Abwehr, elastische und kollagene Fasern, Nerven, Blutgefäße und Muskelzellen; Merkel-Zellen (Druck), Meißner-Körperchen (Berührung/Tastsinn), freie Nervenfasern (Kälte, Wärme, Schmerz)
-
3.
Subkutis: Gefäße/Fettgewebe, Vater-Pacini-Körperchen (Vibration)
-
•
Gewebezerstörung
-
•
Mediatorfreisetzung
-
•
Mikrozirkulationsstörungen
-
•
systemische Entzündungsreaktion
Fallbericht
Ein 56-jähriger Patient, Koch von Beruf, war am Vorabend in seiner Sauna eingeschlafen. Als er erwachte, verspürte er starke Schmerzen in beiden Gesäßhälften und konnte nicht mehr sitzen. Er kommt am folgenden Morgen mit zwei „Cool Packs“ in der Unterhose in Ihre Praxis.
Die Inspektion ergibt folgenden Befund: Beide Glutealhälften sind wegdrückbar dunkelrot verfärbt. Es sind deutlich Blasen zu erkennen, links mehr als rechts. Insgesamt liegen zumindest Verbrennungen vom Grad 2a von ca. 4–5 % der Körperoberfläche vor.
-
•
Blasen nicht eröffnen, weitere Kühlung ist nicht mehr sinnvoll.
-
•
große, feuchte und nichtadhäsive Wundverbände (z. B. Schaumverbandsauflage) einsetzen
-
•
Druckentlastung, z. B. durch einen Sitzring
-
•
Analgetika-Verordnung (vorzugsweise Ibuprofen)
-
•
Tetanusprophylaxe
-
•
tägliche Kontrolle von Allgemeinbefinden und Lokalbefund bis zur Wundheilung (ca. 5–10 Tage)
-
•
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zur Wundheilung
-
•
Krankenhauseinweisung bei Zeichen von Infektion oder Nekrosebildung
Fallbericht
Familie Meier hat ihre Nachbarn zu einer Grillparty in den neu gestalteten Garten eingeladen. Der Hausherr grillt, seine neunjährige Tochter steht neben dem Grill und hilft beim Verteilen der Grillwürste. Der Vater gerät unter Zeitdruck und gießt Brennspiritus in die Holzkohle. Eine Stichflamme erfasst das Kind.
-
•
Verbrennung:ErstmaßnahmeLöschen der noch brennenden Kleidung mit einer (Woll-)Decke, nicht mit Synthetikfasern
-
•
Abkühlung der Verbrennung durch 15–20 °C kaltes Wasser für ca. 20 Minuten (z. B. Gartenschlauch, feuchte, saubere Kompressen aus Geschirrhandtüchern). Bei intensiver Kühlung großer Flächen besteht die Gefahr einer Unterkühlung.
-
•
Beachtung der Atmung (Inhalationstrauma durch Rauchgas? Oberkörper hochlagern)
-
•
Rettungsdienst, ggf. Notarzt verständigen
-
•
Ergänzung der Anamnese
-
•
Ausmaß der Verbrennung abschätzen
-
•
Vitalzeichenkontrolle (Blutdruck/Herzfrequenz, Freiheit der Atemwege)
-
•
Kind beruhigen und trösten lassen
-
•
Schmerzbekämpfung (z. B. Ibuprofen oder Paracetamol)
-
•
Abdecken der Brandwunden
-
•
Tetanusschutz erfragen
-
•
Indikation zur Krankenhauseinweisung (z. B. wegen V. a. Inhalationstrauma)
Die Diagnose bei dem schwer brandverletzten Kind lautet:
•
Verbrennung I. Grades der rechten Gesichtshälfte, Teilverlust der Haare rechte Stirn/Schläfe
•
Verbrennung II. Grades am rechten Arm
•
Verbrennung III. Grades mit Nekrosen der Epidermis, Dermis und Teilen der Subkutis des rechten Unterschenkels, des rechten Arms sowie des Gesichts
•
verbrannte Körperoberfläche ∼ 20 %
-
•
Infektion und/oder Sepsis
-
•
Schock:VerbrennungVerbrennungsschock: hypovolämischer Schock bei großflächiger Verbrennung, Aus- und Unterkühlung
-
•
Verbrennungskrankheit: hypovolämischer Schock, akutes Nierenversagen, reflektorischer Ileus, akute respiratorische Störungen (u. a. Lungenödem), Katabolie, Wundinfektion
24.2
Insektenstiche
Fallbericht
Ein 30-jähriger Lehrer arbeitet nach der Schule im Garten und wird von einer Biene in den Unterarm gestochen. Er verspürt starken Schmerz, später Juckreiz und bemerkt Rötung und Schwellung um die Einstichstelle. Den Stachel belässt er. Seine Frau bringt ihn in Ihre Praxis.
-
•
Entfernung des Stachels, ohne die Giftdrüse auszudrücken, mit Splitterpinzette
-
•
Desinfektion der Hautoberfläche (v. a. bei zusätzlichen Verschmutzungen)
-
•
Kühlung der Haut mit einer Kühlkompresse oder feuchten Kompressen
-
•
Histaminantagonisten (z. B. Fenistil Gel®) oder oral Cetirizin oder Loratadin, 1–2 Tabl. tgl.
-
•
über eine mögliche Infektion mit Lymphgefäßentzündung (meist innerhalb von 48 h nach dem Stich)
-
•
über die mögliche Entwicklung eines anaphylaktischen Schocks (meist bis 2 h nach dem Stich)
-
•
Schaffen und Sichern eines intravenösen oder (beim Kind) ggf. intraossären Zugangs mediodistal des Tibiakopfs mit Spezialnadel
-
•
Anlegen einer Elektrolytlösung, dann H1-Rezeptor-Antagonist, z. B. Dimetinden (Fenistil®) 4 mg i. v. und Methylprednisolon 250–500 mg i. v.
-
•
inhalative Gabe eines β2-Sympathikomimetikums (z. B. Salbutamol 2 × 0,1 mg/Hub)
-
•
abhängig von Puls, Atemfrequenz und Blutdruck ggf. zusätzlich Adrenalin 1 : 10.000 1–3 ml repetitiv i. v.
-
•
Freimachen und Freihalten der Atemwege
-
•
Notarzt bzw. Rettungsdienst für arztbegleiteten Transport verständigen
•
ausgedehntes Erythem
•
generalisierte Urtikaria
•
Quincke-Ödem
•
respiratorische
•
kardiovaskuläre
•
gastrointestinale Symptome bis zum allergischen Schock
-
•
WespengiftallergieInsektengiftallergieBienengiftallergiedurch eine spezifische Immuntherapie, spezifische (SIT):InsektengiftallergieImmuntherapie (Hyposensibilisierung)
-
•
durch Anwendung eines Notfallsets durch den Patienten selbst (Adrenalin-Fertigspritze, z. B. Jext® 0,3 mg)
-
•
kein Parfüm im Sommer
-
•
kein Fallobst aufheben
-
•
feste Schuhe und Handschuhe bei der Gartenarbeit tragen
-
•
besondere Vorsicht beim Essen im Freien, keine hastigen Bewegungen in Gegenwart von Wespen oder Bienen
-
•
nicht aus geöffneten Limonadendosen trinken, die im Garten standen
-
•
kein Barfußlaufen über Wiesen oder Rasen
-
•
Meiden von Aufenthalten in der Nähe von Wespennestern oder Bienenstöcken
-
•
Allergie:InsektengiftBetablocker
-
•
ACE-Hemmer
Fallbericht
Sommer-Kindergeburtstag. Plötzlich weint ein 7-jähriges Mädchen. Beim Abbeißen vom Kuchen wurde sie von einer Wespe in die Zunge gestochen. Der Stachel ist nach Auskunft der Mutter, die Sie notfallmäßig per Telefon konsultiert, nicht mehr in der Zunge.
Erstmaßnahme: Sie raten zu einem Kaltumschlag des Halses und dem Lutschen eines Eiswürfels.
Sie fahren sofort los und sind vor dem Notarzt da. Was tun Sie? Kind beruhigen, dann schonende Inspektion der Mundhöhle: Zunge deutlich geschwollen. Atmung noch frei, Schlucken noch möglich.
Zugang legen: 1 Amp. z. B. Fenistil® 2 mg i. v., Methylprednisolon 50 mg i. v., Salbutamol DA 0,1 mg 1–2 Hub. Falls kein i. v.-Zugang möglich: Prednisolon Supp. (z. B. Rectodelt®-Zäpfchen 100 mg).
Die Zunge schwillt innerhalb weniger Minuten an, eine beginnende Uvula-Schwellung ist gerade noch sichtbar. Inzwischen ist die Notärztin eingetroffen, sie lässt das Kind in den NAW bringen und intubiert es.
24.3
Muskel- und Sehnenverletzungen
Fallbericht
Ein 45-jähriger Verwaltungsangestellter, Nichtraucher, nicht sehr gut trainiert, spielt, ohne sich aufzuwärmen, mit seiner Frau Tennis. Nach einem Aufschlag kurz nach Spielbeginn verspürt er einen heftigen Schmerz in der rechten Wade.
-
•
Untersuchung der Wadenmuskulatur durch Palpation
-
•
Schmerzprovokation, Widerstandstest, Bewegungstest
-
•
Dokumentation von Motorik, Durchblutung und Sensibilität
Die Untersuchung ergibt kein Hämatom am Schmerzpunkt der Wade.
-
•
Kühlung
-
•
Hochlagerung
-
•
Ruhigstellung für 1–2 Tage, dann Mobilisation mit geringer Teilbelastung, elastischer Verband, Analgesie (z. B. Ibuprofen 600 mg 2–3×/d)
-
•
Hilfsmittelverordnung über Unterarmgehstützen
-
•
ggf. Thromboseprophylaxe nach Risikogruppen der Leitlinienempfehlung (Kap. 3.1)
24.4
Kontusionen, Distorsionen
Fallbericht
Ein 13-jähriger Fußballspieler hinkt am Montagmorgen in Ihre Praxis. Er erzählt, er sei am Sonntagnachmittag beim Versuch, einen Fußball wegzuschießen, unglücklich über den Ball getreten und abgerutscht. Dabei habe er sich das rechte Sprunggelenk verdreht. Sein Trainer habe ihn vom Platz geholt, und das Sprunggelenk sei gekühlt worden.
-
•
Konnten unmittelbar nach Verletzung oder in der Erstkonsultation vier Schritte gemacht werden?
-
•
Sind Motorik, Durchblutung und Sensibilität gestört, liegen Begleitverletzungen vor?
-
•
Ist das Gelenk geschwollen, sind die Gelenkkapsel/Knochenvorsprünge druckschmerzhaft? (→ Gelenkerguss, Kapselzerrung oder Verdacht auf Innen- und/oder Außenbandruptur?)
-
•
Ist die passive/aktive Bewegung/Belastung schmerzhaft? Liegt eine Fehlstellung vor? Wie sieht die Gegenseite aus? (→ Fraktur, Luxation, Bandverletzung?)
-
•
Besteht ein lokaler Druckschmerz am Innen- und/oder Außenknöchel (und Fibulaschaft) bzw. an der Basis des Os metatarsale V und/oder über dem Os naviculare?
-
•
Liegt ein „tiefer“ (Druck-)Schmerz des distalen Unterschenkels zwischen Fibula und Tibia vor? (→ V. a. Ruptur der Syndesmose)
-
•
Liegen Risikofaktoren für eine erhöhte Thrombosegefahr vor? (Alter, Übergewicht, Komorbidität etc.?)
-
•
Ruhigstellung („Pause“) in Hochlagerung
-
•
Kühlung
-
•
Analgesie, Antiphlogese (z. B. Ibuprofen 600 mg 2–3× tgl.)
-
•
elastischer Verband, Tape-Verband oder Orthese (z. B. Aircast-Schiene), wenn eine Bandverletzung nicht auszuschließen ist
•
Belastungsfähigkeit bei voller Körperbelastung: Kann der Patient vier Schritte, auch hinkend, gehen?
•
sorgfältige Palpation (ausgeprägter lokaler Druckschmerz oder Krepitation?) der dorsalen Kanten des lateralen oder medialen Malleolus (ca. 6 cm) und der Fußwurzel (v. a. Os naviculare) und des Mittelfußes (v. a. Basis Os metatarsale V)
•
zusätzlich Palpation der proximalen Fibula und des Vorfußes (Begleitverletzungen?) – die geschwollene Region ist vom Lig. fibulotalare anterius her zu beurteilen. Palpation mit Abstand zur Verletzung beginnen!
•
In vielen chirurgischen Abteilungen werden routinemäßig Röntgenaufnahmen durchgeführt, vor allem aus medicolegalen Gründen.
-
•
KapselverletzungenBandverletzungengute Gelenkbelastbarkeit bei ausreichender Beweglichkeit
-
•
Gelenkstabilität, d. h. die feste Führung der korrespondierenden Gelenkflächen auch unter Belastung, um einer posttraumatischen Arthrose vorzubeugen
-
•
Meidung von Immobilisationsrisiken (Muskelatrophie, Propriozeptionsminderung, Thrombose) durch frühe funktionelle Beübung u. a. mithilfe von Orthesen (z. B. Air-Cast) und ggf. subkutane oder orale Thromboembolieprophylaxe (AWMF-Leitlinie)
24.5
Wunden und Wundarten
24.5.1
Akute Wunden
-
•
mechanische bzw. traumatische Wunden (z. B. Riss-, Quetsch-, Platz-, Dekubitus-, Bisswunden)
-
•
thermische und chemische Wunden
-
•
Wunden als Folge einer anderen Erkrankung ohne äußere Einwirkung (z. B. Ulcera cruris)
-
•
aktinische = StrahlenwundenStrahlenwunden (z. B. durch Röntgenstrahlen oder Isotope)
Fallbericht
Ein 50-jähriger Mann will eine Sprudelflasche öffnen. Plötzlich bricht der Flaschenhals ab, und es kommt zu einer stark blutenden Schnittverletzung seiner linken Hohlhand.
Bei der Inspektion ist zu erkennen, dass die Palmaraponeurose durchtrennt ist. Außerdem befinden sich Splitterreste in der Wunde.
-
•
(Wieder-)Eröffnen der Wunde
-
•
ggf. Wundabstrich (Erreger- und Resistenzprüfung)
-
•
Débridement (Entfernung von Nekrosen, Eiter)
-
•
offene Wundbehandlung, Drainage
-
•
selten lokale antimikrobielle Medikamente, biologische (Fliegenmadentherapie) oder enzymatische Wundreinigung (Hydrogel)
-
•
weitere Maßnahmen je nach Besonderheiten (z. B. orale Antibiose)
24.5.2
Sekundär heilende Wunden
•
wundreinigender Effekt, Wundbettsanierung
•
Aktivierung immunkompetenter Zellen
•
physiologisches Mikroklima
•
Aufbau von Granulationsgewebe
•
Migration und Mitosen von Epithelzellen
•
Beachten und Ausgleichen von Mangelernährung, Immunstörungen, Stoffwechselerkrankungen, Beurteilen der psychosozialen Situation des Patienten
•
Schaumverbände
•
Vermeiden von Antiseptika (z. B. Octenisept, Jod), antibiotikahaltigen Salben, Farbstoffen (Rivanol), gefärbten Lösungen, da diese über ein wundheilungsstörendes Potenzial verfügen
24.5.3
Chronische Wunden und Ulkusbildung
-
•
chronisch venöse Insuffizienz (> 80 %)
-
•
periphere arterielle Durchblutungsstörung
-
•
Diabetes mellitus mit mikro- und makrovaskulären Gefäßveränderungen
-
•
Pflegefehler
-
•
Leitungswasser
-
•
physiologische NaCl-Lösung (verordnungsfähig zulasten der GKV)
-
•
kein Jod/Octenisept/Lavasept (fehlende Wirksamkeit, Schmerz, Zellschäden)
-
•
immer zuerst Diagnostik zur Erkennen der kausalen Ursache(n)
-
•
immer Therapie der Grunderkrankung (entscheidend für die Heilung; Kompressionsbehandlung, Gefäßrevaskularisierung, Blutzucker-Optimierung)
-
•
Feuchtes feucht und Trockenes trocken halten
-
•
Verbände atraumatisch wechseln (keine Zerstörung der frisch begonnenen Granulation)
-
•
Mazerationen des Wundrands verhindern
-
•
Mobilität und Gesellschaftsfähigkeit des Patienten müssen erhalten bleiben
-
•
Behandlung chronischer Wunden braucht Zeit
-
•
(eindeutige und objektive Dokumentation, ggf. Fotodokumentation)
-
•
Patienten-/Angehörigen-/Pflegekraftschulung
•
Bewegungstraining (regelmäßiges Gehen bzw. Physiotherapie)
•
konsequente Druckentlastung durch entstauende Maßnahmen (z. B. Lagerung, Kompressionsverbände/-strümpfe)
•
Abklärung und ggf. Beseitigung arterieller/venöser Durchblutungsstörungen
•
Abklärung und ggf. Optimierung von Stoffwechselstörungen (insbesondere Diabeteseinstellung)
•
Druckentlastung bei lokaler Durchblutungsstörung (z. B. Diabetikerschuhwerk)
-
•
trockene, schwarze Nekrosen:
–
Akren (z. B. Zehen): trocken halten, polstern
–
z. B. am Unterschenkel: mechanisches/chirurgisches Débridement
-
•
feuchte schwarze Nekrose: mechanisches/chirurgisches Débridement
-
•
fibrinbelegte Wunde mit wenig Sekret: Hydrogel + Schaumverband
-
•
fibrinbelegte Wunde mit mäßig/viel Sekret: Schaumverband
-
•
granulierte Wunde mit wenig Sekret: Hydrogel + Schaumverband
-
•
granulierte Wunde mit mäßig/viel Sekret: Schaumverband
-
•
für tiefe Wundhöhlen zusätzlich: Alginat zwischen Schaumverband und Wundgrund
24.5.4
Dekubitalulzera
-
•
Wundbehandlung:DekubitalulkusKausaltherapie: vollständige Druckentlastung während der gesamten Behandlungszeit bis zur Abheilung des Ulkus, z. B. durch Lagerungswechsel oder Druckverteilung, z. B. mittels pneumatischer Matratzen
-
•
lokale Debubitalulkus-Therapie:
-
–
chirurgisches Débridement
-
–
feuchter Verband
-
–
ggf. Infektionsbehandlung und plastisch-chirurgische Verfahren
-
-
•
begleitende Therapie:
-
–
Allgemein- und Ernährungszustand verbessern
-
–
Schmerztherapie
-
Fallbericht
Sie werden zu einem 81-jährigen Patienten gerufen, der wegen einer Halbseitenlähmung seit vier Jahren bettlägerig ist und zu Hause durch Familienmitglieder und Hauskrankenpflege versorgt wird. Dem Hauskrankenpflegedienst war eine Veränderung über dem linken Trochanter aufgefallen.
Die Inspektion zeigt einen Trochanterdekubitus mit örtlicher Infektion (sichtbare Rötung, Ödem der Haut) und schwarz-gelber Nekrosekruste.
•
vollständige Druckentlastung, wechselnde Lagerung und ggf. Mobilisation
•
Débridement von allen Nekrosen
•
ggf. Behandlung der Wundinfektion
•
Diagnostik von lokalen und allgemeinen Störungen der Wundheilung, z. B. durch Inkontinenzmittel/Windeln
•
Optimierung der Ernährung und ggf. Schmerztherapie
•
sorgfältige Verlaufskontrolle und Dokumentation (Foto- und Wunddokumentation)
24.5.5
Biss- und Stichwunden
Fallbericht
Eine 65-jährige Katzenliebhaberin wird von ihrer Katze beim Spielen in das mittlere Drittel des linken Unterarms gebissen. Die punktförmigen Perforationsstellen der Fangzähne scheinen nur oberflächlich die Haut verletzt zu haben. Aus dem mitgebrachten Impfausweis geht hervor, dass ein vollständiger Tetanusschutz besteht.
-
•
Wundbehandlung:BissverletzungWundsäuberung (z. B. nichtalkoholische Octenidin-Lösung), Cave: kein Octenidin in tiefen Wundhöhlen belassen
-
•
Offenlassen der Wunde unter feuchtem Verband (z. B. mit PVP-Jod-Salbe)
-
•
selten: Antibiotikagabe (umstritten, nur bei tieferen Verletzungen begleitend zu einer chirurgischen Revision)
-
•
Wundkontrolle nach 24 und 48 Stunden
-
•
Überweisung in chirurgische Behandlung zur Wundrevision, wenn tiefere Strukturen betroffen (Faszien, Sehnen, Sehnenscheiden oder Gelenkkapseln) sind
-
•
Verletzung:KanüleBlutfluss fördern durch mäßigen Druck auf das Umgebungsgewebe (> 1 min); eine eventuelle Blutung sollte nicht behindert werden (Robert-Koch-Institut 2013).
-
•
Wunde mit alkoholischem Desinfektionsmittel (Ethanol > 80 %, PVP-Jod-Lösung) spülen/reinigen und anschließend ein Pflaster mit PVP-Salbe auflegen
-
•
Aufbewahren gekühlter Serumproben aus Venenblut sowohl des verletzten Mitarbeiters als auch des Patienten, um den aktuellen Infektions- bzw. Immunitätsstatus (z. B. mittels HIV-Suchtest, Anti-HBs und Anti-HCV) zum Zeitpunkt der Verletzung festzuhalten (bzw. an D-Arzt mitgegeben)
-
•
Der Berufsgenossenschaft wird eine Unfallmeldung erstattet (in der Regel A13-Bericht an BG für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege), der Unfallhergang wird dokumentiert und der Verletzte in der Regel dem D-Arzt vorgestellt.
-
•
Die derzeit am meisten gefürchtete Infektion dürfte die HIV-HIV-Inokulation, PostexpositionsprophylaxeInokulation sein. Grundsätzlich kommt eine postexpositionelle Prophylaxe infrage. Die Einnahme der antiviralen Medikamente sollte möglichst rasch beginnen und 28 Tage lang fortgeführt werden. Bei unbekanntem HIV-Serostatus des Patienten, der mit der Kanüle behandelt wurde, bzw. wenn die klinische Diagnose einer HIV-Infektion nicht wahrscheinlich ist, sollten jedoch die Empfehlungen zurückhaltend gehandhabt werden, was besonders für Stichverletzungen bei Schwangeren gilt.
-
•
Bei Inokulationsverdacht mit Hepatitis Hepatitis B:PostexpositionsprophylaxeB hängt das weitere Vorgehen vom Anti-HBs-Titer des Mitarbeiters ab: Bei einem Anti-HBs-Titer zwischen 10 und 100 IU/ml impft man sofort ausschließlich aktiv. Liegt der Anti-HBs-Titer < 10 IU/ml, oder kann er nicht innerhalb von 48 h bestimmt werden, impft man simultan aktiv und passiv (0,06 ml/kg KG). Bei einem Anti-HBs-Titer > 100 IU/ml ist keine Impfung nötig.
-
•
Eine Postexpositionsprophylaxe:Hepatitis BPostexpositionsprophylaxe bei Hepatitis-C-Inokulation ist nicht bekannt. Etwa die Hälfte aller frischen Hepatitis-C-Infektionen heilt spontan aus. Sollte dies nach drei Monaten nicht der Fall sein, ergibt eine Kombination antiviraler Medikamente hohe Heilungsraten. Weitere Maßnahmen werden vom D-Arzt der Berufsgenossenschaften veranlasst.
24.6
Hämatome
Fallbericht
Ein 25-jähriger Mann, Mitglied der freiwilligen Feuerwehr, will auf dem jährlichen Feuerwehrfest zwei Streithähne trennen und erhält einen Schlag auf das linke Auge. Mit einem Monokelhämatom kommt er nun in Ihre Praxis.
24.7
Frakturen
Fallbericht
Auf dem Weg zur Kirche ist eine 78-jährige Dame bei Glatteis ausgerutscht. Sie stürzte mit gestreckten Armen. Jetzt schmerzt ihr rechtes Handgelenk. Es zeigt einen größeren zirkulären Bluterguss und eine Achsabweichung nach dorsal.
-
•
Drucknekrosen und Kompressionssyndrom durch Schwellungen und/oder Gipsversorgung
-
•
Fehlstellung mit späteren Funktionseinschränkungen/Gelenkversteifung
-
•
komplexes regionales Schmerzsyndrom (früher Morbus Sudeck)
-
•
Pseudarthrosenbildung
Fallbericht
Sie werden in ein Altenheim gerufen. Eine 82-jährige Frau ist ausgerutscht und liegt vor ihrem Bett. Vor Schmerzen im Bein kann sie nicht mehr aufstehen. Sie sehen eine Verkürzung und Außendrehung des rechten Beins.
-
•
Erfragung des Unfallhergangs
-
•
Erfassung von Begleitverletzungen
-
•
Schmerzbekämpfung
-
•
Anlegen einer Infusion
-
•
Lagerung auf Vakuummatratze durch den Rettungsdienst/Stabilisierung mit Polsterrollen
-
•
Einweisung in eine unfallchirurgische Klinik mit Rettungsdienst
•
Inzidenz für Schenkelhalsfrakturen: 90/100.000 Einwohner/Jahr
•
bei über 65-Jährigen: 600–900/100.000 Einwohner/Jahr
•
Lebenszeitrisiko: 11–23 % bei Frauen, 5–11 % bei Männern
-
•
sekundäre Dislokation durch Lockerung der Osteosynthese
-
•
Pseudarthrosenbildung trotz Osteosynthese
-
•
Hüftkopfnekrose
-
•
Thrombose bei unvollständiger Mobilisation
-
•
erneutes Sturzereignis ggf. mit einer „periprothetischen“ Fraktur
-
•
Vitamin D, ggf. zzgl. Kalzium bei manifester Osteoporose
-
•
Sturzprophylaxe:
–
regelmäßige Bewegung, Reha-Sport, auch Bewegungsbad
–
Beseitigen von Stolperfallen
–
Rollator, Gehhilfen
-
•
geriatrisches Assessment
-
•
Optimierung von Begleiterkrankungen: z. B. Vorbeugung von Hypoglykämien, Tagesmüdigkeit (Sedativa), Sehstörungen, Bewegungsstörungen (Morbus Parkinson)
-
•
Reduktion von Polymedikation, Beachtung von Medikamenteninteraktionen
24.8
Proktologische Erkrankungen
Fallbericht
Ein 36-jähriger Außendienstmitarbeiter stellt sich erstmals mit Schmerzen im Gesäßbereich vor. Er berichtet, schon seit der Pubertät einen „empfindlichen Hintern“ gehabt zu haben, mit gelegentlichen „Tröpfchen“, die Flecken in der Unterhose hinterlassen hätten. Seit drei Tagen sei nun eine pflaumengroße, druckschmerzhafte Schwellung über dem Steißbein tastbar geworden, aus der sich seit einigen Stunden eitrige Flüssigkeit entleert.
Fallbericht
Ein 52-jähriger adipösen Handwerker spricht Sie auf ein „peinliches Problem“ an: Seit Jahren jucke und brenne es am After und manchmal seien auch Blutstropfen nach dem Stuhlgang auf dem Klopapier zu sehen gewesen. Nach dem letzten Stuhlgang gestern Abend habe er „höllische Schmerzen“ am After bekommen und dort sei jetzt neu ein kirschgroßer „Knubbel“ tastbar. Seine Mutter hatte einen Darmkrebs gehabt, deshalb befürchtet er „es könnte etwas Schlimmes sein“.
-
•
obligatorisch Inspektion zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen (s. u.)
-
•
Palpation bzw. rektale Untersuchung ist meist zu schmerzhaft (muss im Verlauf nach ca. 1–2 Wochen nachgeholt werden).
-
•
Schmerzbekämpfung (z. B. Lidocain 5 % Salbe 2–3× tgl., z. B. Posterisan® akut)
-
•
bei starken Schmerzen/Schmerzpersistenz: ggf. Exzision in Lokalanästhesie (cave: zuvor Ausschluss der Verwechslung mit einer thrombosierten Hämorrhoide notwendig!) oder Überweisung an Chirurgie (s. u.)
-
•
Überweisung zur einer geplanten Koloskopie aufgrund „positiver Familienanamnese für Darmkrebserkrankung“
-
•
Aufklärung über die „Harmlosigkeit“ des Befunds trotz intensiver Schmerzen und das mögliche Abheilungsergebnis einer radiären Hautfalte („Mariske“)
-
•
Anales malignes Melanom (sehr selten und nicht „akut“ schmerzhaft).
-
•
Eine (teil-)thrombosierte Hämorrhoide tritt in typischer Lokalisation bei 3-, 7- oder 11-Uhr-Steinschnittlage auf und lässt sich nicht vollständig „umfahren“. Vorfallende Hämorrhoiden 2. oder 3. Grades sind eine elektive Operationsindikation.
-
•
AnalfissurAnalfissuren als Einrisse der analen Schleimhaut können akut oder chronisch auftreten; bei der chronischen Form findet sich oft am Übergang von analer Schleimhaut zur Haut eine druckschmerzhafte „Vorpostenfalte“. Chronische Analfissuren werden in Vollnarkose exzidiert und ggf. der untere Anteil des Sphinkter ani internus Sphinkterotomieinzidiert („Sphinkterotomie“).
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AnalabszessAnalabszesse sind gerötet und unscharf begrenzt, nicht wie die Analvenenthrombose livide verfärbt und scharf begrenzt.
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Andere Tumoren der Analregion haben in der Regel eine festere, höckerige Oberfläche und sind nicht druckschmerzhaft (v. a. anale Kondylome, Plattenepithelkarzinome).
Literatur
AWMF-Leitlinien
Bachmann et al., 2003
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
Hermann and Quellmann, 2004
Kamolz et al., 2009
Knuth and Sefrin, 2006
Nöldeke, 2009
Raschke and Stange, 2008
Raulf and Kolbert, 2006
Robert-Koch-Institut, 2013
Schumpelick et al., 2013