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Beispiele für materielle und immaterielle Interessenkonflikte in der Psychotherapie
Materielle Interessenkonflikte infolge von
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Honoraren für Vorträge und Workshops, die ein bestimmtes Therapieverfahren oder eine Therapiemethode lehren
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Referententätigkeit/Leitung eines Ausbildungsinstituts, das ein bestimmtes Therapieverfahren oder eine Therapiemethode lehrt
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Gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen (z. B. EBM, Psychotherapie-Richtlinien)
Immaterielle Interessenkonflikte infolge von
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Loyalität (allegiance) zu einem bestimmten Therapieverfahren oder einer Therapiemethode
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Aktiver Mitgliedschaft (v. a. Vorstandstätigkeit) in Berufsverbänden, Kammern, Fachgesellschaften oder Organen der Selbstverwaltung wie z. B. Vorstandsmitglied in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie oder der International Society of Schematherapy
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Erwartungen an den Verlauf einer Psychotherapie (z. B. von Krankenkassen, Ehepartnern, Eltern, Arbeitgebern etc.)
Vorschläge für offen zu legende Interessen in der Psychotherapie(forschung)
Interessen(konflikte) Offenlegung
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Arbeitgeber (z. B. Universität, Ausbildungsinstitut)
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Aus-, Weiter- und Fortbildungen/Zertifikate in bestimmten Psychotherapieverfahren oder -methoden
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Entwicklung von/Patente für und Verfassen von Lehrbüchern über bestimmte Psychotherapieverfahren oder -methoden
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Honorare von Psychotherapie-Aus-/Weiter-/Fortbildungsinstituten für Vorträge und Workshops zu bestimmten Psychotherapieverfahren oder -methoden
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Honorare und Drittmittel für die Durchführung von wissenschaftlichen Untersuchungen zu Psychotherapien
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Aktive Mitgliedschaft (v. a. Vorstandstätigkeit) in (psychotherapeutischen, ärztlichen) Berufsverbänden, Kammern, Fachgesellschaften oder Organisationen der Selbstverwaltung
Beispiele für Möglichkeiten des Managements von Interessenkonflikten in der Psychotherapie
Psychotherapie Management von Interessenkonflikten In der Therapeut-Patient-Beziehung Therapeutische Beziehung Interessenkonflikte Interessen(konflikte) therapeutische Beziehung
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Transparenz von Loyalitäten zu bestimmten Psychotherapieverfahren und -methoden (z. B. Ausbildung in einem Verfahren, Entwicklung einer Methode)
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Transparenz von sekundären Einflüssen (z. B. durch Krankenkassen, Partner, Eltern) und Erläuterung des Managements dieser Sekundärinteressen
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Erläuterung und Diskussion alternativer Therapieverfahren/Methoden als Grundlage für patientenorientierte Entscheidungen für ein Verfahren/eine Methode
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Hinreichende Grundkenntnisse jedes Therapeuten über alternative Ansätze inkl. über deren Praxis, Indikationen und Überweisungswege …
Bei der Bewertung der Effektivität von Psychotherapien z. B. als Autor, Gutachter, Mitglied einer Leitliniengruppe Interessen(konflikte) Psychotherapieforschung/-studien Interessen(konflikte) Wirksamkeitsbewertungen/-studien
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Transparenz von Loyalitäten zu bestimmten Psychotherapieverfahren und -methoden (z. B. Ausbildung in einem Verfahren, Entwicklung einer Methode)
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Ausschluss von Wissenschaftlern als Hauptautoren von Editorials, wenn sie in Bezug auf die zu bewertende Psychotherapieform Interessenkonflikte aufweisen
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Ausschluss von Wissenschaftlern als Leitlinien-Vorsitzende bzw. Ausschluss bei bestimmten Abstimmungen von Leitliniengremien, wenn die Wissenschaftler in Bezug auf die zu bewertende Psychotherapieform Interessenkonflikte aufweisen
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Zusammensetzung von psychotherapiewissenschaftlichen Gutachtergremien und Leitlinienkommissionen nach der Allegiance ihrer Mitglieder in einer Form, dass alle praktizierten Verfahren und Methoden eine ähnlich große Chance haben, beforscht zu werden, den Kommissionsmitgliedern bekannt zu sein und von ihnen kompetent bewertet zu werden
Interessenkonflikte in der Psychotherapie
Kernaussagen
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PsychotherapieInteressenkonflikteInteressen(konflikte)Interessenkonflikte und deren Auswirkungen in der Psychotherapie sind bisher wenig untersucht.
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Interessenkonflikte sind definiert als Situationen, die ein Risiko dafür schaffen, dass professionelles Urteilsvermögen oder Handeln, das sich auf ein primäres (wissenschaftliches oder fachlich-psychotherapeutisches) Interesse bezieht, durch ein sekundäres Interesse unangemessen beeinflusst wird.
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Sekundäre Interessen, die in der Psychotherapie mit dem primären Interesse des Therapeuten, das Beste für den Patienten zu tun, in Konflikt geraten können, sind z. B. strategische Karriereüberlegungen, die Loyalität des Therapeuten zu einem Therapieverfahren oder einer Therapiemethode, Interessen Dritter am Verlauf der Therapie (z. B. Krankenkassen, Eltern, Ehepartner) oder gesundheitspolitische Rahmenbedingungen (z. B. EBM, Psychotherapie-Richtlinien).
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In Psychotherapiestudien finden sich ähnliche Verzerrungsrisiken durch Interessenkonflikte wie bei Medikamentenstudien, z. B. Publikations-Bias oder die Überbewertung von Therapieeffekten der „eigenen“ bzw. die Unterbewertung von „anderen“ Verfahren oder Methoden.
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Verzerrungsrisiken entstehen auch dadurch, dass aufgrund unterschiedlicher personeller und finanzieller Ressourcen und Ausrichtungen von Lehrstühlen bestimmte Verfahren und Methoden bevorzugt, andere dagegen kaum beforscht werden. Dadurch besteht die Gefahr, dass potenziell wirksame Methoden aufgrund von Lock-out-Effekten nicht beforscht werden.
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Interessenkonflikte entfalten ihre Wirkung auf das Urteilsvermögen und Handeln weitgehend unbewusst, sodass Transparenz und Management von Interessenkonflikten eine wichtige Bedeutung zukommt.
42.1
Einführung
42.1.1
Definition von Interessenkonflikten
Merke
Interessenkonflikte sind Situationen, die ein Risiko dafür schaffen, dass professionelles Urteilsvermögen oder Handeln, das sich auf ein primäres Interesse bezieht, durch ein sekundäres Interesse unangemessen beeinflusst wird (Lo und Field 2009; Thompson 2009).
42.1.2
Interessenkonflikte und Bias
Merke
Nicht der Interessenkonflikt ist „unser Feind“, sondern das Risiko, dass der Interessenkonflikt zu verzerrtem Urteilen und Handeln (Bias) führt (Lo und Ott 2013).
Merke
Schaden kann als Folge von Interessenkonflikten durch bewusste Täuschung oder durch unbewussten Bias entstehen.
42.1.3
Psychologische Wirkmechanismen
„In einer Situation, in der wir eine von mehreren möglichen Entscheidungen oder Schlussfolgerungen materiell, sozial oder intellektuell als persönlich vorteilhaft empfinden, nehmen wir Informationen, die zu dieser für uns vorteilhaften Entscheidung oder Schlussfolgerung führen, stärker wahr, prüfen sie weniger streng, akzeptieren sie schneller und geben ihnen mehr Gewicht. Informationen dagegen, die der vorteilhaften Entscheidung oder Schlussfolgerung entgegenlaufen, behandeln wir im umgekehrten Sinne. Wir nehmen sie weniger stark wahr, prüfen sie strenger, akzeptieren sie widerwillig und geben ihnen weniger Gewicht. Dieses Phänomen wird auch als ‚motivierte Evaluation von Evidenz‘ bezeichnet und ist in unterschiedlichen Erscheinungsformen auch als self-serving biasSelf-serving bias, wish biasWish Bias und confirmation biasConfirmation Bias beschrieben worden.“
42.2
Formen von Interessenkonflikten in der Psychotherapie
42.2.1
Interessenkonflikte in der Therapeut-Patient-Beziehung
42.2.2
Interessenkonflikte in der Psychotherapieforschung und in Leitlinien
42.3
Umgang mit Interessenkonflikten in der Psychotherapie
42.3.1
Transparenz
Merke
Mit der Offenlegung macht man die Interessenkonflikte nicht nur sich selbst bewusst, sondern v. a. anderen wie z. B. Patienten (Tattersall et al. 2009), den Lesern eines wissenschaftlichen Artikels oder einer Leitlinie oder dem Herausgeber einer Zeitschrift, die dadurch in die Lage versetzt werden sollen, Interessenkonflikte und deren möglichen Einfluss auf das therapeutischen Handeln oder den Inhalt eines Textes zu beurteilen.
42.3.2
Management von Interessenkonflikten in der Psychotherapie
Literaturauswahl
Cuijpers et al., 2010
Felser and Klemperer, 2011
Lieb and Scheurich, 2014
Lieb et al., 2011
Lieb et al., 2016
Lo and Field, 2009
Lo and Ott, 2013
Munder et al., 2012
Munder et al., 2013
Spurling et al., 2010
Thompson, 2009