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10.1016/BE03-9783437228889.10001-8
E03-9783437228889
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Abb. E.3-1

Algorithmus der Diagnostik und Therapie der akuten Extremitätenischämie (L2).
CTA = CT-Angiographie;
MRA = Magnetresonanzangiographie; DSA = digitale Subtraktionsangiographie.
* Die Bildgebung sollte die Revaskularisation nicht verzögern
** Dies sollte eine spezifische Aufarbeitung kardialer und aortaler Ursachen umfassen
Klinische Zeichen der akuten arteriellen Ischämie (5 P nach Pratt; 8)
1. | Pulslessness | Pulslosigkeit |
2. | Pale | Blässe |
3. | Pain | Schmerz |
4. | Paraesthesia | Taubheit |
5, | Paralysis | Lähmung |
Nicht-ischämische und ischämische Differenzialdiagnosen, die bei der diagnostischen Abklärung einer akuten arteriellen Ischämie berücksichtigt werden sollten
Nicht-ischämische Ursachen | Ischämische Ursachen |
Tiefe VenenthromboseOberflächliche VenenthromboseNeuropathie
|
Arterielle Thrombose
|
Klinischer Schweregrad und Prognose der Extremitätenischämie (9)
SVS1-Kategorie | Beschreibung/Prognose | Befunde | Dopplersignale | ||
Sensibilitätsverlust | Muskelschwäche | Arteriell | Venös | ||
I. Lebensfähig | Nicht unmittelbar vital gefährdet | Keiner | Keine | Hörbar | Hörbar |
II. Vital gefährdet | |||||
Grenzwertig (a) | Rettbar bei prompter Behandlung | Minimal (Zehen) oder keine | Keine | Nicht hörbar | Hörbar |
Unmittelbar (b) | Rettbar bei unverzüglicher Behandlung | Mehr als Zehen, Ruheschmerzen | Leicht bis mäßig | Nicht hörbar | Hörbar |
III. Irreversibel | Gewebeuntergang oder permanente Nervenschädigung unvermeidbar | Ausgeprägt, Anästhesie | Ausgeprägt, Paralyse (Rigor) | Nicht hörbar | Nicht hörbar |
1
Society for Vascular Surgery
Indikationen und Kontraindikationen für eine lokoregionäre kathetergestützte Fibrinolyse bei Patienten mit akuter Extremitätenischämie
Indikationen | Kontraindikationen |
|
Absolut:
|
Zusammenfassung der Bildgebungsmodalitäten bei akuter Extremitätenischämie
Verfahren | Verfügbarkeit | Genauigkeit | Invasivität | Möglichkeit der Therapie | Zusammenhängende Darstellung |
Duplex | ± | ++ | – | – | + |
CTA | ++ | +++ | – | – | +++ |
MRA | + | ++ | – | – | ++ |
DSA | ++ | +++ | ++ | + | + |
–: gering oder nicht vorhanden; ±: indifferent, von lokaler Verfügbarkeit und Expertise abhängig; +: gut; ++: sehr gut; +++: exzellent
Prospektive Studien zum Vergleich der Katheterfibrinolyse und der operativen Revaskularisation bei Patienten mit akuter Extremitätenischämie
Autor | Ergebnis nach Monaten | Katheterfibrinolyse | Operative Revaskularisation | ||||
N | Extr.-Erhalt | Mortalität | N | Extr.-Erhalt | Mortalität | ||
Rochester (6) | 12 | 57 | 82 % | 16 % | 57 | 82 % | 42 % |
STILE (11, 14) | 6 | 246 | 88,2 % | 6,5 % | 141 | 89,4 % | 8,5 % |
TOPAS (7) | 12 | 144 | 82,7 % | 13,3 % | 54 | 81,1 % | 15,7 % |
Extr.-Erhalt = Extremitätenerhalt; N = Anzahl
Akuter Extremitätenarterienverschluss
Definition und Basisinformation
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Autochthone thrombotische Verschlüsse können zwar auch in scheinbar gesunden Arterien auftreten, meist findet sich aber eine vorbestehende Arterienerkrankung im Sinne einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) mit akuter Thrombosierung bei vorbestehender Stenose (akut auf chronisch, Plaqueruptur).
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Akute thrombotische Verschlüsse peripher-arterieller Bypässe treten häufig als Folge eines gestörten peripheren Bypass-Abstroms bei Anastomosenstenose oder Stenosen im Ausflusstrakt distal des Bypasses auf.
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Kardiale Erkrankungen, die mit einer intrakardialen Thrombusbildung und peripheren Embolisationen einhergehen, sind Vorhofflimmern und Herzwandaneurysmen sowie nicht operierte Klappenfehler, Kunstklappen, Endo- und Myokarditiden.
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Auch die Aorta kommt als Emboliequelle infrage. Erkrankungsbilder sind Aortenaneurysmen und wandständige Thrombenbildungen auf dem Boden rupturierter Plaques. Periphere Aneurysmen, insbesondere der A. poplitea oder der A. subclavia, können durch lokale Thrombosierung oder periphere Embolisation ebenfalls zum akuten Verschluss mit dem Vollbild der akuten Extremitätenischämie führen.
-
Seltene Ursachen sind das direkte Gefäßtrauma, toxisch bedingte Vasospasmen, lokale Kompressionssyndrome (z. B. popliteales Entrapment-Syndrom oder Thoracic-Outlet-Syndrom) oder Gefäßdissektionen, entzündliche Gefäßerkrankungen oder arterielle Thrombosen bei heparininduzierter Thrombozytopenie Typ II. Außerdem muss immer auch an die Möglichkeit einer sog. gekreuzten Embolie gedacht und, falls andere Ursachen nicht nachgewiesen werden können, nach einer Venenthrombose und einem offenen Foramen ovale gesucht werden.
Symptomatik und klinisches Bild
Diagnostik und Differenzialdiagnose
Apparative Untersuchung
Ursachenabklärung
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Suche nach Emboliequelle: EKG/Langzeit-EKG, transthorakale, evtl. transösophageale Echokardiographie, Röntgen-Thorax, Abdomensonographie, thorakoabdominale CT oder MRT.
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Bei akutem Poplitealarterienverschluss: Sonographie zum Ausschluss eines thrombosierten Aneurysmas (auch Gegenseite!) oder einer zystischen Adventitiadegeneration.
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Bei Verdacht auf Aneurysma dissecans der Aorta: Röntgen-Thorax, transösophageale Echokardiographie, CT, MRT.
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Bei akutem Extremitätenarterienverschluss der oberen Extremität: Diagnostik bzgl. Vorliegen eines kostoklavikulären Kompressionssyndroms (Thoracic-Outlet-Syndrom) durch klinische Provokationsmanöver, Duplexsonographie der A. subclavia und Röntgen zum Ausschluss einer Halsrippe.
Laboruntersuchungen
Differenzialdiagnostik
Therapie
Sofortmaßnahmen
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die sofortige intravenöse Antikoagulation mit 5000–10.000 IE unfraktioniertem Heparin (Empfehlungsgrad C, Evidenzklasse 1; L2),
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die Schmerzbekämpfung mit Opiaten, die nicht intramuskulär appliziert werden dürfen (Empfehlungsgrad C, Evidenzklasse 1; L2),
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die mäßige Tieflagerung des Beins und das Anlegen eines Watteschutzverbands,
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die Gabe von 4–6 l Sauerstoff per Nasensonde (falls keine Kontraindikation aufgrund pulmonaler Komorbidität).
Behandlung in der Klinik
-
Operative Behandlung: Als operative Verfahren kommen die Embolektomie, die Thrombektomie, die Thrombendarteriektomie und die Anlage eines Bypasses infrage (6, 7, 8, 11, 14). Grundsätzlich angezeigt ist die notfallmäßige chirurgische Behandlung, wenn ein komplettes Ischämiesyndrom durch die akute Verlegung großer Transportarterien bis zur Ellenbeuge bzw. Leiste vorliegt. Bei inkomplettem Ischämiesyndrom und/oder frischer Embolie in primär gesunden Arterien kommt neben Katheterprozeduren auch die Embolektomie infrage.
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Katheterverfahren (2, 13, 16): Zur Verfügung stehen verschiedene Varianten der Aspirationsembolektomie, der mechanischen Thrombektomie (15) und der Katheterlyse mit Plasminogenaktivatoren (6, 7, 11, 14), ggf. in Kombination mit Glykoprotein-IIb/IIIa-Inhibitoren (1, 12) oder ultraschallunterstützt (3) und der ergänzenden perkutanen transluminalen Angioplastie vorbestehender arteriosklerotischer Veränderungen. Sie kommen vor allem bei Verschlüssen unterhalb der Ellenbeuge sowie infrainguinal in Betracht.
Der Empfehlungsgrad B für die operative Revaskularisation bzw. die Katheterverfahren begründet sich zwar auf Studien (› Tab. E.3-6), die beide Verfahren verglichen, jedoch nur die Patienten berücksichtigt haben, bei denen beide Verfahren gleichrangig indiziert gewesen wären. Es gibt daher keine prospektiven randomisierten Studien für die Gesamtheit aller Patienten mit akuter Ischämie, die die Überlegenheit einer einzelnen Methode belegt. Auch zu neueren vielversprechenden Verfahren der mechanischen Thrombektomie wie Rotarex®, Aspirex®, Ekos® oder Indigo™ allein oder in Kombination mit einer Thombolyse gibt es keine größeren randomisierten kontrollierten Studien.
Wichtiger als die Wahl eines bestimmten Verfahrens zur Revaskularisation ist die rasche Verfügbarkeit einer revaskularisierenden Maßnahme (Empfehlungsgrad Konsensusempfehlung, L1).
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Systemische fibrinolytische Behandlung: Diese kann nur mit deutlicher zeitlicher Verzögerung zum Erfolg führen. Sie kommt somit nur als Ultima Ratio bei fehlender Option zur Katheterlyse bzw. zur Operation infrage.
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Primäre Amputation: Obwohl i. d. R. der Extremitätenerhalt das Behandlungsziel ist, kann im Einzelfall – insbesondere bei schwerst polymorbiden Patienten mit verzögert zur Behandlung gekommener, stark fortgeschrittener Ischämie und beginnenden Nekrosen – trotzdem die primäre Amputation der betroffenen Extremität die sinnvollste, lebensrettende Maßnahme sein.
-
Allgemeine Maßnahmen: Durchblutungsfördernde Maßnahmen wie die Hämodilution und die Gabe gefäßerweiternder Substanzen (vasoaktive Prostaglandine) können bei inkompletter Ischämie unterstützend und bei sehr peripheren Verschlüssen kleiner Arterien primär therapeutisch getroffen werden. Ihr Nutzen ist in prospektiven Studien bislang aber nicht belegt. Die Rekompensation einer vorbestehenden Herzinsuffizienz sowie die Rhythmisierung eines Vorhofflimmerns verbessern ebenfalls die Oxygenierung des Bluts und damit die Sauerstoffversorgung des ischämischen Gewebes. Eine akute Ischämie kann mit diesen Maßnahmen allein jedoch nicht beseitigt werden. Kommt der Patient verzögert in die Klinik und haben sich bereits ausgedehnte Muskelnekrosen entwickelt, ist eine korrekte Flüssigkeits- und Elektrolytbilanzierung entscheidend für die Verhinderung einer Crush-Niere und eines Multiorganversagens. Entwickelt sich trotz erfolgreicher Rekanalisation ein Kompartmentsyndrom (postischämisches Ödem), ist eine prompte Spaltung aller notwendigen Faszien angezeigt.
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Je ausgeprägter die Ischämie, je proximaler der Verschluss und je gesünder der Patient, desto eher ist eine operative Revaskularisation indiziert.
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Je weniger ausgeprägt die Ischämie, je distaler der Verschluss und je multimorbider der Patient, desto eher ist ein interventionelles oder ganz konservatives Vorgehen indiziert. Insgesamt richtet sich das gewählte Vorgehen jedoch auch nach der Expertise des jeweiligen Zentrums.
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Das Wohl des Patienten sollte vor der Behandlung berücksichtigt werden. Die Entscheidung soll schriftlich dokumentiert werden, sodass die Gründe für die Entscheidung nachvollziehbar sind.
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Für Patienten mit akuter Extremitätenischämie und maligner Grunderkrankung soll die aktive Revaskularisation bei ausgewählten Patienten in Betracht gezogen werden, da die unmittelbar postoperativen Ergebnisse mit denen von Patienten ohne Malignität vergleichbar sind.
Nachbehandlung und Rezidivprophylaxe
Autorenadressen
Leitlinien
L1.
Lawall H, Huppert P, Rümenapf G, et al.: S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der PAVK. www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/065-003.html. 2015.
L2.
Aboyans V, Ricco JB, Bartelink MEL, et al.: 2017 ESC Guidelines on the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases, in collaboration with the European Society for Vascular Surgery (ESVS): Document covering atherosclerotic disease of extracranial carotid and vertebral, mesenteric, renal, upper and lower extremity arteries, Endorsed by: the European Stroke Organization (ESO), The Task Force for the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases of the European Society of Cardiology (ESC) and of the European Society for Vascular Surgery (ESVS). Eur Heart J 39 (2018) 763–816.
L3.
Björck M, Earnshaw JJ, Acosta S, et al.: European Society for Vascular Surgery (ESVS) 2020 Clinical Practice Guidelines on the Management of Acute Limb Ischaemia. Eur J Vasc Endovasc Surg 59 (2020) 173e218.
Literatur
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