Das Ziel der Therapie in den Stadien II und III ist die nachhaltige Normalisierung der Hämoglobinkonzentration und des Gesamtkörpereisens. Sie besteht in zwei Maßnahmen, die i. d. R. parallel eingeleitet werden.
Medikamentöse Substitution
Jeder EisenmangelEisensubstitution, der das Stadium der eisendefizitären Erythropoese erreicht hat, ist eine Indikation zur Eisengabe. Ein alleiniger Speichereisenmangel muss dagegen nur in der Schwangerschaft, bei dialysepflichtigen Patienten oder bei Hochleistungssportlern behandelt werden sowie bei Patienten, die nach einer zuvor behandelten Eisenmangelanämie erneut entleerte Eisenspeicher aufweisen oder anderweitig symptomatisch sind.
Der Eisenbedarf kannEisenbedarf, Ganzoni-Formel nach der folgenden Ganzoni-Formel Ganzoni-Formel, Eisenbedarfgeschätzt werden:
Eisenbedarf in mg = Hb-Defizit (Soll-Hb – Patienten-Hb) × Körpergewicht (kg) × 2,4 + Speichereisen (250–500 mg).
Nach Möglichkeit soll Eisen oral substituiert werden. Dabei werden jedoch nur 5–10 % der Dosis aufgenommen, was bei der Berechnung des Bedarfs zu beachten ist. Zur oralen Eisensubstitution stehen zahlreiche Präparate zur Verfügung, zweiwertige Eisenpräparate sollten bevorzugt werden. Diese liegen als Salze vor, entweder als Sulfat, Gluconat, Chlorid oder Fumarat. Der Anteil an zweiwertigem Eisen pro Dragee schwankt in den im Handel befindlichen Präparaten zwischen 25 und 100 mg, die Anfangsdosis der peroralen Eisensubstitution beträgt 50–100 mg Fe2+ pro Tag. Die Einnahme sollte vorzugsweise nüchtern, mindestens ½–1 Stunde vor oder nach dem Essen erfolgen. Da die orale Eisengabe die Hepcidin-Konzentration regulatorisch erhöht und damit die Eisenaufnahme aus dem Darm für die nächsten 24 Stunden inhibiert, sollte deshalb die Tagesdosis nicht gesplittet, sondern einmal täglich verabfolgt werden. Um die Eisenaufnahme zu optimieren, wird sogar eine Substitution jeden 2. Tag diskutiert.
Das Hauptproblem der oralen Eisensubstitution liegt in der schlechten Verträglichkeit der Eisenpräparate. Viele Patienten klagen 1–2 Stunden nach oraler Einnahme v. a. bei einer Anfangsdosis von über 50 mg/d auf nüchternen Magen über gastrointestinale Beschwerden und Übelkeit. Diese Beschwerden korrelieren mit dem Anteil an ionisiertem Eisen im oberen Gastrointestinaltrakt und weisen darauf hin, dass die orale Eisensubstitution trotz des physiologischen Aufnahmewegs offensichtlich „nicht ganz physiologisch“ ist. Um die gastrointestinalen Nebenwirkungen zu minimieren, kann die Einnahme zunächst versuchsweise vor dem Schlafengehen erfolgen. Sind die Beschwerden nach einwöchiger Einnahme immer noch vorhanden, sollte das Eisen mit den Mahlzeiten eingenommen werden, wodurch die Resorption des Eisens jedoch deutlich vermindert wird. Obstipation und seltener Diarrhöen sind weitere Nebenwirkungen einer oralen Eisensubstitution. Bei anhaltender Unverträglichkeit sollte nach Ausschöpfen der o. g. Kompromisse zunächst ein anderes Präparat verabreicht werden.
Therapiekontrolle und Dauer der Substitution: Die Wirkung der Eisensubstitution ist 14 Tage nach deren Beginn anhand des Anstiegs der Retikulozyten und des Hämoglobins zu überprüfen. Das Hämoglobin sollte nach 4 Wochen um 1–2 g/dl angestiegen sein. Weitere Kontrollen erfolgen alle 4 Wochen bis zur Normalisierung des Hämoglobinwerts. Um auch die Eisenspeicher etwas aufzufüllen, sollte die Eisensubstitution mindestens 3 Monate nach Verschwinden der Anämie fortgesetzt werden. Ziel ist neben der Normalisierung des Hämoglobins ein Ferritinwert von 50–100 µg/l. Bei Frauen in der Menstruationsperiode ist nach einem Rezidiv u. U. eine langzeitige Substitution mit niedriger Dosis erforderlich. In Ausnahmefällen – wie beim Morbus Osler – kann eine lebenslange niedrig dosierte Substitution erforderlich sein.
Parenterale Substitution: Patienten, die zwei verschiedene orale Eisenpräparate nicht vertragen haben, eine Eisenresorptionsstörung aufweisen oder bei denen eine orale Medikation nicht ausreicht, sollten intravenös substituiert werden (10). Auch Tumorpatienten und insbesondere diejenigen, die zur Korrektur einer tumor- oder chemotherapiebedingten Anämie Erythropoese-stimulierende Wachstumsfaktoren erhalten, sollten grundsätzlich intravenös substituiert werden.
Für die intravenöse Substitution stehen mehrere Originalpräparate zur Verfügung. Bei diesen handelt es sich um kolloidal gelöste Nanopartikel, die aus einem polymeren Eisen(III)-haltigen Kern und aus einer Kohlenhydrathülle bestehen. Durch die Kohlenhydratverpackung werden toxische Konzentrationen von freiem, ungebundenem Eisen im Blut vermieden und eine kontrollierte Freigabe des Eisens ermöglicht. Die Kohlenhydrathülle ist jedoch keine reine Verpackung, sie ist von erheblicher Bedeutung für die pharmakologischen Eigenschaften der Präparate und auch für deren Verträglichkeit. So sind die gefürchteten allergischen und anaphylaktischen Reaktionen der intravenösen Eisenpräparate in erster Linie auf deren Kohlenhydratanteil zurückzuführen. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang das früher verwendete hochmolekulare Dextran.
In Deutschland sind mehrere dextranfreie, intravenös applizierbare Originalpräparate zugelassen: der Eisen(III)-Glukonat-Komplex (Ferrlecit®), der Eisen(III)-Hydroxid-Saccharose-Komplex (Venofer®) und die Eisencarboxy-Maltose (Ferinject®). Bei diesen Komplexen besteht eine lineare Korrelation zwischen Molekularmasse und Stabilität und damit der maximal applizierbaren Eisenmenge. Für das niedrig molekulare Ferrlecit® beträgt die täglich applizierbare Dosis nur 62,5 mg, sodass dieses Präparat trotz guter Verträglichkeit (3,5 unerwünschte Ereignisse [AEs]/1 Mio. 100-mg-Äquivalenzdosen) zunehmend an Bedeutung verliert und durch stabilere Präparate ersetzt wird. Weltweit am häufigsten wurde bei der intravenösen Eisensubstitution bisher wohl der Eisen(III)-Hydroxid-Saccharose-Komplex verwendet. Dieser erlaubt die Applikation von 200 mg Eisen in einer Sitzung und ist ähnlich komplikationsarm (USA: 3,5 AEs/1 Mio. 100-mg-Äquivalenzdosen) wie Eisen-Glukonat. In Europa liegt die berichtete Komplikationsrate allerdings etwas höher (12,6 AEs/1 Mio. 100-mg-Äquivalenzdosen). Dies wird jedoch den Nachahmer-Präparaten zugeschrieben, die im Unterschied zu den USA in Europa als Generikum des Originalpräparats Venofer® zugelassen wurden. Diese Nachahmer unterscheiden sich zum Teil erheblich vom Original und sind mit diesem bezüglich Wirkung und Sicherheit nicht gleichzusetzen. Ferinject® erlaubt dank der hohen Stabilität eine Applikation von bis zu 1000 mg Eisen, was i. d. R. die Korrektur des Eisenmangels in einer einzigen Sitzung ermöglicht. Die Inzidenz von akuten Überempfindlichkeitsreaktionen ist bei vorschriftsmäßiger Handhabung bezüglich Dosis und Infusionsgeschwindigkeit nach den bisherigen Erfahrungen gering.
Bei zu schneller intravenöser Applikation können alle Eisenpräparate die Transferrin-Bindungskapazität überfordern und durch das freie, ungebundene Eisen eine Flush-Symptomatik hervorrufen. Diese Nebenwirkung kann durch eine protrahierte Gabe vermieden werden, sodass die intravenöse Eisengabe vorzugsweise als Kurzinfusion erfolgen sollte. Für das Ferrlecit® wird vom Hersteller empfohlen, den Inhalt einer 5-ml-Ampulle mit 62,5 mg in 100–250 ml 0,9 % NaCl zu verdünnen und über 20–30 Minuten zu infundieren. Die empfohlene Verdünnungsmenge für 200 mg Venofer® beträgt maximal 200 ml 0,9 % NaCl, die Infusionszeit mindestens 30 Minuten. Von dem wesentlich stabileren Ferinject® können bis zu 200 mg als Bolusinjektion über 1–2 Minuten verabreicht werden, eine Testdosis ist nicht erforderlich. Höhere Einzeldosen werden als Kurzinfusion appliziert: 200–500 mg in maximal 100 ml 0,9 % NaCl über mindestens 6 Minuten, 500–1000 mg in maximal 250 ml 0,9 % NaCl über mindestens 15 Minuten. Höhere Verdünnungen mit weniger als 2 mg/ml sollen aus Stabilitätsgründen vermieden werden.
Im Jahr 2013 hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) in einem Risikobewertungsverfahren festgestellt, dass der Nutzen der intravenösen Eisenpräparate deren mögliche Risiken überwiegt, wenn entsprechende Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden. Dazu gehört eine vorschriftsmäßige Anwendung entsprechend der Gebrauchsanweisung. Außerdem soll die Infusion nur vorgenommen werden, wenn in der Erkennung und Behandlung anaphylaktischer Reaktionen geschulte Fachkräfte unverzüglich verfügbar sind und die kardiopulmonale Reanimation durch eine entsprechende Ausrüstung sichergestellt ist. Der Patient soll während der Infusion überwacht werden, nach erfolgter Eisengabe wird außerdem eine Nachbeobachtungszeit von 30 Minuten empfohlen. In der Schwangerschaft sollen intravenöse Eisenpräparate nur angewandt werden, wenn sie zwingend notwendig sind; die Gabe vor dem 2. Trimenon ist kontraindiziert. Eine Überempfindlichkeitsreaktion nach intravenöser Eisengabe stellt eine Kontraindikation für eine erneute Therapie mit jeglichen intravenösen Eisenpräparaten dar. Außerdem ist zu beachten, dass Patienten mit allergischen, immunologischen und inflammatorischen Erkrankungen sowie solche mit Asthma bronchiale, Ekzemen und anderen atopischen Erkrankungen in der Vorgeschichte ein erhöhtes Risiko einer Überempfindlichkeitsreaktion aufweisen.
Eisensubstitution während der Schwangerschaft
BeiSchwangerschaftEisensubsitution festgestellter Schwangerschaft sollte neben dem Hämoglobinwert auch eine Ferritinbestimmung erfolgen. Bei der Beurteilung des Hämoglobins muss berücksichtigt werden, dass in der Schwangerschaft andere Referenzwerte gelten. Bedingt durch eine Vermehrung des Plasmavolumens fällt das Hämoglobin während der Schwangerschaft ab, mit dem Nadir im 2. Trimenon. Als unterer Referenzwert der Hämoglobinkonzentration werden im 1. und 3. Trimenon 11,0 g/dl, im 2. Trimenon 10,5 g/dl angesehen. Eine Anämie stellt abhängig vom Schweregrad einen wichtigen Risikofaktor für die mütterliche und fetale Morbidität dar. Dazu gehören insbesondere bei Hämoglobinwerten < 9 g/dl gehäufte Aborte, Frühgeburten und Wachstumsretardierung des Feten sowie kardiovaskuläre Belastung und Infektionen der Mutter.
Entsprechend dem steigenden Eisenbedarf manifestiert sich der Eisenmangel i. d. R. nicht vor Beginn des 2. Trimenons, die negative Eisenbilanz wird durch einen kontinuierlichen Abfall des Ferritinwerts deutlich. Um einer Eisenmangelanämie vorzubeugen, ist in solchen Fällen (spätestens bei einem Ferritinrückgang < 30 µg/l) eine Eisensubstitution empfehlenswert. Diese erfolgt vorzugsweise oral mit einem Fe2+-Präparat, beginnend mit 50 mg/d. Diese Dosis erwies sich als ausreichend, um bei 90 % der Schwangeren einen Eisenmangel bzw. bei 95 % eine Eisenmangelanämie zu vermeiden. Die Dosis kann jedoch bis zu 200 mg/d gesteigert werden.
Bei Unverträglichkeit der oralen Eisenpräparate, bei fehlender Compliance oder bei einer fortgeschrittenen bzw. progredienten Anämie kann im 2. und 3. Trimenon nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung auch eine intravenöse Eisensubstitution erfolgen. Im 1. Trimenon ist die intravenöse Eisengabe streng kontraindiziert. Für die parenterale Eisensubstitution in der Schwangerschaft galt bisher Venofer® als das Medikament der Wahl. Mit diesem Präparat besteht auch bei dieser Indikation weltweit die größte Erfahrung.
Auch Ferinject® ist für die intravenöse Eisensubstitution im 2. und 3. Trimenon der Schwangerschaft zugelassen, wurde jedoch bisher bei dieser Indikation seltener eingesetzt. Dies lag einerseits an der guten Erfahrung mit Venofer®, insbesondere jedoch an der in der Fachinformation vorliegenden Warnung, dass das aus Eisencarboxymaltose freigesetzte Eisen die Plazentaschranke überschreiten und die Anwendung während der Schwangerschaft Auswirkungen auf die Skelettentwicklung des Feten haben können. Dieser Warnung lagen tierexperimentelle Ergebnisse an einem Kaninchen-Modell zugrunde, in dem maternal toxische Dosierungen der Substanz mit Skelettanomalien des Feten assoziiert waren. Inzwischen wurden mehrere klinische Studien an insgesamt rund 600 Schwangeren publiziert, in denen die Effektivität und Verträglichkeit von Ferinject® in der Schwangerschaft und post partum untersucht wurden (11, 12). Das Medikament war effektiver als Venofer®, indem Dosen bis zu 1000 mg in einer Sitzung appliziert werden konnten. Es wurden keine unerwünschten Effekte auf den Feten bzw. auf das Neugeborene beobachtet. Anhand dieser Studien wird Ferinject® inzwischen in einigen Ländern für die intravenöse Eisensubstitution in der Schwangerschaft und post partum als das Medikament der ersten Wahl angesehen (13). Die Höchstdosis beträgt auch in der Schwangerschaft 1000 mg (Maximum: 20 mg/kg KG, bezogen auf das Gewicht der Schwangeren vor Beginn der Schwangerschaft). Bei einem Bedarf > 1000 mg muss das Intervall zwischen den Eisensubstitutionen mindestens 7 Tage betragen.
Bei einer Eisenmangelanämie mit einer Hämoglobinkonzentration < 6 g/dl ist aufgrund des signifikant schlechteren fetalen Outcomes eine Transfusion von Erythrozytenkonzentraten zu erwägen.
Eisensubstitution bei renaler Anämie
Bei der Therapie der renalen AnämieAnämierenaleEisensubstitution spielt die Substitution mit rHu-EPO eine zentrale Rolle (› Beitrag G 12). Für das Ansprechen bzw. den ökonomischen Einsatz von rHu-EPO ist eine optimale Eisenversorgung der Erythropoese notwendig (14). Als bester Indikator einer eisendefizitären Erythropoese gelten hypochrome Erythrozyten (HYPO) > 10 %. Steht dieser Parameter nicht zur Verfügung, sind ein Ferritinabfall < 100 µg/l zu vermeiden und ein Ferritinwert > 200 µg/l anzustreben.
Vor Beginn der rHu-EPO-Therapie soll der Ferritinwert mindestens 200 µg/l betragen. Bei Prädialysepatienten und bei Personen mit Peritonealdialyse kann eine orale Substitution versucht werden. Bei dialysepflichtigen Patienten soll die Eisensubstitution generell parenteral erfolgen. Zur Sicherstellung der Eisenversorgung der Erythropoese sollten in der Korrekturphase 1000 mg von dreiwertigem Eisen innerhalb eines Zeitraums von 6–12 Wochen verabreicht werden. Die Substitution erfolgt vorzugsweise während der Dialyse. In der Erhaltungsphase beträgt der Eisenbedarf eines Hämodialysepatienten 1–3 g/Jahr. Die Erhaltungstherapie soll deshalb mit einer monatlichen Gabe von etwa 100 mg dreiwertigen Eisens beginnen und im weiteren Verlauf dem individuellen Bedarf angepasst werden. Als Verlaufsparameter sollte alle 3 Monate eine Bestimmung des Ferritins und der HYPO erfolgen. Bei einem Ferritinabfall < 100 µg/l bzw. bei Anstieg der HYPO werden innerhalb der nächsten 2 Wochen 200–500 mg dreiwertigen Eisens appliziert und die nachfolgende Erhaltungstherapie intensiviert. Bei einem Ferritinwert > 600 µg/l wird die Erhaltungstherapie für 3 Monate ausgesetzt.