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9783437228674
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Hereditäre Nephropathien
7.1
Molekulargenetische Diagnostik
7.1.1
Methoden
Direkte Genotyp-Analyse
Indirekte Genotyp-Analyse
7.1.2
Anwendungsbereiche
Prädiktive (präsymptomatische) Diagnostik, pränatale Diagnostik
Heterozygoten-Diagnostik
Stand der molekulargenetischen Diagnostik
Evidenzbasierte Medizin und genetische Erkrankungen
7.2
Beschreibung einzelner hereditärer Nierenerkrankungen
7.2.1
Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (autosomal dominant polycystic kidney disease, ADPKD1 und ADPKD2)
Definition und Basisinformation
Symptomatik und klinisches Bild
Diagnostik
-
●
Familienanamnese mit Stammbaum.
-
●
Sonographischer Nachweis von mindestens zwei Zysten im Alter von bis zu 30 Jahren, mindestens zwei Zysten je Niere bei positiver Familienanamnese im Alter von über 30 Jahren. Diagnose bei ca. 95% der Anlageträger bis zum 20. Lebensjahr und praktisch bei allen bis zum 30. Lebensjahr möglich. Leberzysten erhärten die Diagnose (in 30% bei Patienten mit 30–40 Jahren, 70% im 60. Lebensjahr).
-
●
MRT-Angiographie nur bei familiär gehäuften Hirnblutungen bzw. Aneurysmen und/oder klinischer Symptomatik (Kopfschmerzen).
Differenzialdiagnose
-
●
Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (› Abschnitt G 7.2.2),
-
●
Renal Cysts and Diabetes Syndrom (RCAD; › Abschnitt G 7.2.3),
-
●
Von-Hippel-Lindau-Syndrom (› Abschnitt G 7.2.7),
-
●
tuberöse Hirnsklerose (› Abschnitt G 7.2.8),
-
●
sekundäre Nierenzysten.
Therapie
Nachsorge/Rehabilitation
7.2.2
Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARPKD)
Definition und Basisinformation
Symptomatik und klinisches Bild
Diagnostik
-
●
Sonographisch vergrößerte Nieren von erhöhter Echogenität. Negativer Ultraschallbefund bei den Eltern.
-
●
Portale Hypertonie meist bei älteren Kindern.
-
●
Eine Leberbiopsie sichert die Diagnose.
Differenzialdiagnose (Auswahl)
-
●
Frühe Manifestation der autosomal-dominanten Zystennieren (PKD1; › Abschnitt G 7.2.1),
-
●
Renal Cysts and Diabetes Syndrom (RCAD; › Abschnitt G 7.2.3),
-
●
oligosymptomatische Syndrome (z.B. Meckel-Syndrom, Bardet-Biedl-Syndrom; › Abschnitt G 7.2.4).
Therapie
Nachsorge/Rehabilitation
7.2.3
Renal Cysts and Diabetes Syndrom (RCAD)
Definition und Basisinformation
Symptomatik und klinisches Bild
Diagnostik
-
●
Sorgfältige Ultraschalluntersuchung der Nieren auch bei Eltern und weiteren Familienmitgliedern,
-
●
Glukosetoleranztest bei Patienten mit noch nicht manifestem Diabetes.
Differenzialdiagnose
-
●
› Abschnitt G 7.2.1,
-
●
andere Formen des MODY.
Therapie
Nachsorge/Rehabilitation
7.2.4
Nephronophthise und verwandte syndromale Ziliopathien
Definition und Basisinformation
Symptomatik und klinisches Bild
Diagnostik
-
●
Sonographie: verwaschene Rinden-Mark-Differenzierung. Medulläre Zysten im Rinden-Mark-Bereich meist erst sekundär nach eingetretenem Nierenversagen. Nierengröße normal oder verringert.
-
●
Nierenbiopsie: kleinzystische Tubulusstrukturen neben atrophischen Tubuli.
Differenzialdiagnose
-
●
Autosomal-dominante tubulointerstitielle Nierenerkrankungen bzw. medulläre Zystennieren (seltene, autosomal-dominante Nierenerkrankung mit sehr ähnlichen Symptomen [NPH-MCKD-Komplex]; Nierenversagen erst im Erwachsenenalter, aktuell bekannte Gene: MUC1, UMOD, HNF1ß/TCF2, REN).
-
●
ARPKD/frühmanifeste ADPKD (› Abschnitt G 7.2.2).
-
●
Klinische Übergänge zum Bardet-Biedl- und Meckel-Syndrom.
-
●
Chronisch rezidivierende Pyelonephritis.
-
●
Oligomeganephronie.
-
●
Zystische Nierenveränderungen im Rahmen anderer Ziliopathien: Häufige Manifestationen neben Nierenzysten sind Retinopathien, Defekte des zentralen und peripheren Nervensystems und Skelettveränderungen, die isoliert oder als Teil eines Syndroms auftreten:
-
○
Joubert-Syndrom (JBTS) und verwandte Krankheitsbilder (JSRD): Kleinhirnfehlbildung (oftmals im axialen MRT „Backenzahnzeichen“ [Molar Tooth Sign, MTS] bei Vorliegen weiterer Hirnanomalien), Entwicklungsverzögerung/geistige Behinderung, unregelmäßiges neonatales Atemmuster, Hypotonie, Ataxie, Nystagmus, kongenitale Leberfibrose, Augenveränderungen (häufig Retinitis pigmentosa), Polydaktylie.
-
○
Meckel-Gruber-Syndrom (MKS): okzipitale Meningoenzephalozele/Neuralrohrdefekt, kongenitale Leberfibrose, Polydaktylie, Verkürzung und Krümmung der langen Röhrenknochen, Herzfehler, Mikrozephalie, Mikrophthalmie, Spaltbildungen im Lippen-Kiefer-Gaumen-Bereich.
-
○
Bardet-Biedl-Syndrom (BBS): Adipositas, Netzhautdegeneration (Retinitis pigmentosa), Hypogonadismus, Polydaktylie, mentale Retardierung. Seltener: Schwerhörigkeit, Anosmie, Morbus Hirschsprung, Leberveränderungen, Diabetes mellitus und weitere metabolische Auffälligkeiten.
-
○
Alström-Syndrom überlappt stark mit dem Bardet-Biedl-Syndrom. Die meisten Alström-Patienten sind jedoch normal intelligent, zeigen frühe Innenohrschwerhörigkeit sowie fortschreitende kardiomyopatische, pulmonale, hepatische und renale Veränderungen.
-
-
●
Kurzrippen-Polydaktylie-Syndrome und andere Osteochondrodysplasien:
-
○
Jeune-Syndrom (auch als asphyxierende Thoraxdysplasie [ATD] bezeichnet): Häufigstes Kurzrippen-Polydaktylie-Syndrom. Weitere Merkmale: schmaler glockenförmiger Thorax, kurze Röhrenknochen, auffällige Beckenanatomie, Veränderungen verschiedener innerer Organe aus dem Ziliopathie-Spektrum.
-
○
Ellis-van Creveld-Syndrom (EVC): chondroektodermale Dysplasie mit dysproportioniertem Kleinwuchs und akromesomeler Verkürzung der Extremitäten, kurzen Rippen, postaxialer Polydaktylie und dysplastischen ektodermalen Strukturen wie Nägeln und Zähnen. Zwei Drittel aller Patienten mit angeborenem Herzfehler.
-
○
Sensenbrenner-Syndrom (CED, kranioektodermale Dysplasie): Dolichocephalie, rhizomeler Kleinwuchs, ektodermale Defekte (spärliches, langsam wachsendes Haar, Zahn- und Nagelhypo-/dysplasien).
-
Therapie
Nachsorge/Rehabilitation
7.2.5
Alport-Syndrom und familiäre benigne Hämaturie
Definition und Basisinformation
Symptomatik und klinisches Bild
Diagnostik
-
●
Eingehende Familienanamnese (Anlageträger mit Mikrohämaturie),
-
●
Urinanalyse und Nierenfunktionsdiagnostik, ggf. Nierenbiopsie mit Elektronenmikroskopie und Immunhistologie,
-
●
Audiometrie (Innenohrschwerhörigkeit v. a. im Hochtonbereich),
-
●
augenärztliche Untersuchung (Fundoskopie und Spaltlampenuntersuchung).
Differenzialdiagnose
-
●
Glomeruläre Erkrankungen mit familiärer Disposition wie z.B. IgA-Nephropathie.
-
●
Thin Basement Membrane Nephropathy (familäre benigne Hämaturie, heterozygote Typ-IV-Kollagenerkrankung) wird mittlerweile zum Alport-Syndrom gerechnet.
-
●
Fechtner-/Epstein-Syndrom (Nephropathie, Schwerhörigkeit, Makro-Thrombozytopenie).
Therapie
Nachsorge/Rehabilitation
7.2.6
Hereditäre nephrotische Glomerulopathien
Definition und Basisinformation
Symptomatik und klinisches Bild
Diagnostik
-
●
Klinik mit Ödemen und Aszites und/oder Zeichen des Nierenversagens. Auf extrarenale Manifestationen achten. Sorgfältige Familienanamnese.
-
●
Labor: Hypalbuminämie, Hyperlipidämie, normale Komplementspiegel, Serum-Kreatinin normal oder erhöht, unauffälliges Urinsediment und große (glomeruläre) Proteinurie.
-
●
Nierenbiopsie: je nach Typ und Erkrankungsdauer von „minimal changes“ bis diffuse Mesangialsklerose (manche frühkindlichen Formen) oder fokal-segmentale Glomerulosklerose (FSGS, eher bei später manifestierenden Formen). Auf Nierenpunktion wird bei Kleinkindern i. d. R. in der Initialdiagnostik verzichtet.
Differenzialdiagnose
-
●
Nicht-hereditäre Formen des nephrotischen Syndroms (überwiegende Zahl der Fälle jenseits des Säuglingsalters),
-
●
familiäres hämolytisch-urämisches Syndrom und membranoproliferative Glomerulonephritis,
-
●
sekundäres kongenitales nephrotisches Syndrom durch konnatale Syphilis-, Toxoplasmose-, CMV- oder HIV-Infektion, mütterlichen Lupus erythematodes oder neonatale Antikörper gegen die neutrale Endopeptidase.
Therapie
Nachsorge/Rehabilitation
7.2.7
Von-Hippel-Lindau-(VHL-)Syndrom
Definition und Basisinformation
Symptomatik und klinisches Bild
Diagnostik
-
●
Eingehende Familienanamnese und klinische Untersuchung.
-
●
Ophthalmoskopie in Mydriasis bei V.a. Angiomatosis retinae (z.T. in peripherer Lage).
-
●
NMR mit Gadolinum bei V.a. Hämangioblastom des ZNS oder des Rückenmarks.
-
●
Bei V.a. Phäochromozytom Plasma- und Urin-Katecholamine, Jodbenzylguanidin-Szintigraphie. Cave: Doppelseitiges Vorkommen!
-
●
Ultraschall Abdomen, Sonographie auch der Testes (Zystadenome des Nebenhodens, selten).
-
●
Klinische Diagnosekriterien: Zwei oder mehr typische Läsionen (zwei Hämangioblastome oder ein Hämangioblastom plus ein viszeraler Tumor) bei sporadischem Fall, ein oder mehr typische Läsionen bei positiver Familienanamnese (12).
Differenzialdiagnose
-
●
Leiomyomatose mit Nierenzellkarzinom,
-
●
familiäres papilläres Nierenkarzinom,
-
●
andere tumoröse Erkrankungen.
Therapie
Nachsorge/Rehabilitation
7.2.8
Tuberöse Sklerose (TSC)
Definition und Basisinformation
Symptomatik und klinisches Bild
Diagnostik
-
●
Inspektion von Haut und Fingernägeln (Blickdiagnose!),
-
●
Untersuchung des Augenhintergrunds,
-
●
Sonographie der Nieren,
-
●
bei Kindern Echokardiographie,
-
●
kraniales CT oder MRT,
-
●
bei Frauen mit renalem Angiomyolipom ein HD-CT zum Ausschluss einer pulmonalen Lymphangiomyomatose.
Differenzialdiagnose
-
●
VHL-Syndrom (› Abschnitt G 7.2.7),
-
●
Zystennieren des Erwachsenen (ADPKD; › Abschnitt G 7.2.1),
-
●
beidseitige Hypernephrome,
-
●
solitäre Angiomyolipome,
-
●
Nierenzellkarzinom.
Therapie
Nachsorge/Rehabilitation
Autorenadressen
Leitlinien
L1.
Deutsche Gesellschaft für Humangenetik (GfH) und Berufsverband Deutscher Humangenetiker e.V. (BVDH): Leitlinie Molekulargenetische Labordiagnostik. medgen 19 (2007) 460–462.
L2.
Deutsche Gesellschaft für Humangenetik (GfH) und Berufsverband Deutscher Humangenetiker e.V. (BVDH): Leitlinie: Genetische Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen. medgen 19 (2007) 454–455.
L3.
Bekanntgaben der Bundesärztekammer: Richtlinien zur prädiktiven genetischen Diagnostik. Dt Ärztebl 100 (2003) A-1297–1305.
L4.
Bekanntgaben der Bundesärztekammer: Richtlinien zur pränatalen Diagnostik von Krankheiten und Krankheitsdispositionen. Dt Ärztebl 95 (1998) A-3236–3242.
Literatur
1.
Bingham C, Hattersley AT: Renal cysts and diabetes syndrome resulting from mutations in hepatocyte nuclear factor-1beta. Nephrol Dial Transplant 19 (2004) 2703–2708.
2.
Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG). Bundesgesetzblatt 50 (2009) 2529–2538.
3.
Savige J, Gregory M, Gross O, et al.: Expert Guidelines for the management of Alport syndrome and TBMN. J Am Soc Nephrol 24(3) (2013) 364–375.
4.
Krügel J, Rubel D, Gross O: Alport Syndrome – Recent insights in basic and clinical research. Nature Reviews Nephrology 9(3) (2013) 170–178.
5.
Gross O, Perin L, Deltas C: Alport syndrome from bench to bedside: the potential of current treatment beyond RAAS-blockade and the horizon of future therapies. Nephrol Dial Transplant, Suppl 4:iv124-30, 2014.
6.
Gross O: Pädiatrie aktuell – Alport Syndrom und Syndrom der dünnen Basalmembran. Internationale State of the Art Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie. Update 2012. Der Nephrologe 7(6) (2012) 511–514.
7.
Hildebrandt F, Attanasio M, Otto E: Nephronophthisis: disease mechanisms of a ciliopathy. J Am Soc Nephrol 20 (2009) 23–35.
8.
Kommission für Öffentlichkeitsarbeit und ethische Fragen der Gesellschaft für Humangenetik e.V.: Stellungnahme zum Heterozygoten-Bevölkerungsscreening. Med Genetik 3 (1992) 11–12.
9.
Kommission für Öffentlichkeitsarbeit und ethische Fragen der Gesellschaft für Humangenetik e.V.: Stellungnahme zur postnatalen prädiktiven genetischen Diagnostik. Med Genetik 3 (1991) 10–11.
10.
Kommission für Öffentlichkeitsarbeit und ethische Fragen der Gesellschaft für Humangenetik e.V.: Stellungnahme zur vorgeburtlichen Diagnostik und zum Schwangerschaftsabbruch. Med Genetik 4 (1992) 12.
11.
Kwiatkowski DJ, Whittemore VH, Thiele EA (eds.): Tuberous Sclerosis Complex. Genes, Clinical Features, and Therapeutics. Weinheim: Wiley-Blackwell, 2010.
12.
Lonser RR, Glenn GM, Walther M, et al.: von Hippel-Lindau disease. Lancet 361 (2003) 2059–2067.
13.
Northrup H, Au KS: Tuberous Sclerosis Complex. In: Pagon RA, Bird TC, Dolan CR, Stephens K (eds.): GeneReviews [Internet: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/GeneTests/]. Version 07.05.2009.
14.
Torres VE, Harris PC, Pirson Y: Autosomal dominant polycystic kidney disease. Lancet 369 (2007) 1287–1301.
15.
Zenker M, Machuca E, Antignac C: Genetics of nephrotic syndrome: new insights into molecules acting at the glomerular filtration barrier. J Mol Med 87 (2009) 849–857.
16.
Zerres K, Eggermann T, Rudnik-Schönevorn S: Zystennieren. Nieren- und Hochdruckkh 30 (2001) 278–288.
17.
17. Kühn EW, Walz G: Therapie der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung. Dtsch Ärztebl Int 112 (2015) 884–890